Medellín – Welcome to Colombia Teil 2
Weltreise Tage 280-282 (07.08-09.08)
Der Fels steht einfach mitten in der Landschaft in der Nähe von Medellín. Um ihn rum nichts als plattes Land. Als hätte die Natur beschlossen, das hier ein guter Platz für einen Aussichtspunkt wäre. Und sie hatte Recht. Auch wenn die Seenlandschaft zu unseren Füßen von Menschen geschaffen ist, es sieht atemberaubend schön aus, und der Stein hätte nicht besser platziert werden können. Als hätte Mutter Natur es damals schon geahnt.
Hanno hat Geburtstag
Heute hat Hanno Geburtstag. Ich habe mir extra einen Wecker gestellt, damit ich vor ihm wach bin und stehe, zwar etwas verschlafen, aber als Erste in der Küche und koche Kaffee. Gestern war ich mittags noch in geheimer Geburstagsmission unterwegs und habe tatsächlich Kerzen aufgetrieben (eine Drei und eine Sechs) und ein paar Geburstags-Mini-Küchlein gekauft. Da die Küchlein zu klein sind, oder die Kerzen zu groß um diese in die Küchlein zu stecken, esse ich kurzer Hand eine Maracuja und nehme die beiden leeren Hälften, drehe sie um und stecke dort die Kerzen rein. Man muss sich nur zu helfen wissen.
Dummerweise habe ich ein wichtiges Utensil vergessen. Ich habe weder an Streichhölzer noch an ein Feuerzeug gedacht und in der Wohnung gibt es auch keine. (Unsere Feuerzeuge haben wir im Laufe des Jahres an diversen Flughäfen lassen müssen). Wie bekomme ich jetzt also diese Kerzen an? Der Herd ist natürlich diesmal kein Gasherd (wäre ja auch zu einfach), aber ich habe furchtbar Glück dass die Platten aus diesen alten Heizschlangen bestehen. Mit einem Stück Papier bekomme ich tatsächlich eine Flamme hin und kann die Kerzen anmachen. Die Feuerwehr hätte diese Methode bestimmt nicht gut geheißen, aber sie ist wohl immer noch besser als die Kerze an den Toaster zu halten und dort auf das Beste zu hoffen. Naja, Hanno hat jetzt auf jeden Fall etwas zum auspusten und freut sich riesig über die Kerzen und die Küchlein.
Natürlich sind wir dann noch richtig Frühstück essen gegangen. So mit Bagels, Eiern, frischem Obst, Kaffee und was alles dazu gehört. Das gehört bei einem Geburtstag auf Reisen einfach dazu, finden wir. Hanno hat sich heute einen ruhigen Tag gewünscht und genau das machen wir. Abends war der Plan ins Kino zu gehen, aber das Sommerloch in den Kinos hat es auch bis nach Kolumbien geschafft und obwohl es auch ein paar Filme auf englisch gibt, sie interessieren uns alle nicht genug, als dass wir uns aufraffen könnten zum Kino zu laufen. Wir gehen lieber zum Italiener, essen leckere Pizza und trinken Wein!
Ein Ausflug nach Guatapé
Heute geht es früh los, wir machen einen Ausflug zum Stein, so heißt El Peñol im Volksmund. Es ist eine natürliche Aussichtsplattform in mitten einer Seenlandschaft und wir haben nur gutes gehört. Der Weg dorthin ist super einfach. Erst einmal geht es die 20 Minuten zur U-Bahn und von dort zum Busbahnhof Nord. Denn wir fahren in den Norden von Medellín und die Busse in den Norden fahren vom nördlichen Busbahnhof ab – logisch, oder? Die Bustickets sind schnell gekauft und nach 20 Minuten Wartezeit finden wir noch zwei Plätzchen ganz hinten im Bus.
Der kleine Bus ist gefüllt mit Touristen aus aller Herren Länder. Neben uns sitzt ein älteres Ehepaar aus Pereira, südlich von Medellín, im Kaffeedreieck. Als ich dem netten Mann erzähle, dass wir dort als nächstes hinwollen ist er hin und weg, versichert mir mein Spanisch wäre super und es geht los. Er erzählt mir seine ganze Lebensgeschichte, von seiner Familie in den USA, die er mal besucht hat, bis hin zu der, seines Erachtens, noch recht rudimentären touristischen Infrastruktur in Kolumbien. Ich bekomme nicht alles mit, lächle aber fleißig und bringe ab und zu ein wohl platziertes „Si“ oder „que lindo“ unter.
La Piedra
Der Stein ist der erste Stopp und gut ¾ des Buses steigen mit uns aus. Ca. 700 Stufen trennen uns jetzt noch von der Spitze, zumindest denken wir das zu diesem Zeitpunkt noch. Allerdings hat uns der Bus irgendwo unten am Hang rausgelassen und wir müssen erst mal noch gute 200 Stufen zum Besucherparkplatz raufklettern… Meine Güte sind wir unfit. Wir sind ernsthaft am überlegen den Stein Stein sein zu lassen und einfach gleich zum gemütlichen Teil des Tages – dem Mittagessen in Guatapé – überzugehen. Unsere Neugier siegt dann aber, außerdem schauen wir ja so gern runter.
Am Stein passen wir zum Glück gerade eine Lücke im Touristenstorm ab und kaufen die völlig überteuerten Tickets, die es uns erlauben uns 700 Stufen lang bei gefühlten 35° nach oben zu quälen. Wir haben den Tipp bekommen, früh los zu fahren, weil vormittags noch nicht all zu viel los ist, ein wirklich guter Tipp. Denn noch sind die Menschenmengen zu ertragen und wir können in unserem eigenen Tempo die Stufen erklimmen, ohne ständig Kleinkindern aus dem Weg gehen zu müssen.
Was soll ich euch sagen. Die Stufen haben sich gelohnt! Der Ausblick ist phänomenal. Vor uns liegt ein 300 Grad Blick auf eine wunderschöne Seen und Insellandschaft. Die ist allerdings von Menschen erschaffen worden. Es ist ein Stausee der zur Stromerzeugung geflutet wurde. Wenn alle Stromerzeuger so aussehen würden, dann wäre die Welt ein viel schönerer Ort. Einfach unglaublich! Ein paar Motorboote fahren gemächlich übers Wasser, in der Ferne sind Menschen am schwimmen. Hier möchte ich am liebsten sofort ein Haus mieten und meine Ferien verbringen.
Zum Glück gibt es kleine Cafés hier oben, so können wir uns ein paar Stühle ans Geländer stellen, eine Michelada bestellen und einfach runter gucken. Was ist eine Michelada, fragt ihr euch? Haben wir uns auch gefragt und einfach mal eine bestellt. Stellt sich heraus, ich finde es etwas gewöhnungsbedürftig und Hanno recht lecker. Es ist eine mexikanische Erfindung: Man nehme Bier, schütte Zitronensaft dazu und serviere alles in einem Glas mit Salzrand. Es gibt dann noch einige Varianten, zum Beispiel mögen die Kolumbianer Mango drin, während die Mexikaner auch gerne noch Tabasco mit rein träufeln. Wie gesagt, kann man mal probieren, muss man aber nicht zu oft trinken – meine Meinung.
Und ja, dieser Felsbrocken liegt hier wirklich auf ganz natürliche Weise. Ich kann euch nicht sagen wieso oder weshalb, aber es waren ganz bestimmt keine Menschen die diesen Felsbrocken hier hin geschoben haben. (Aliens hätten es sein können, vielleicht hat Däniken ja eine Meinung dazu, muss ich mal recherchieren.)
Guatapé
Zu einem Ausflug zum El Peñol gehört auch ein Besuch des kleinen, bunten Dorfes. Vom Stein sind es nur 10 Minuten mit dem TukTuk (wie haben wir die kleinen dreirädrigen Gefährte vermisst), das wir uns mit einer Argentinierin teilen. Es ist zwar kuschelig eng, dafür haben wir aber ‘nen Euro oder so gespart. Jeder Cent zählt ja bekanntlich.
Das Dorf ist wirklich nett, denn man läuft nämlich durch kleine Gassen mit kunterbunt angemalten Häusern. Dummerweise finden nicht nur wir Guatapé schön, sondern auch etliche andere Touristen, somit ist es eher ein Kampf hübsche Bilder von den Straßen und Häusern zu bekommen…Wir gehen nach ein paar Pflichtfotos lieber Mittagessen. Durch die vielen Touristen ist das Essen leider auch verhältnismäßig teuer und durchschnittlich, aber wir ergattern noch einen Platz draußen auf der Terrasse mit Blick die Straßenbauarbeiten – denn hier soll in Zukunft eine tolle Strandpromenade am See entstehen. Der Blick auf den Bauzaun ist aber auch schön und das Essen ist genießbar.
Gegen Nachtmittag ist unser Ausflug dann vorbei und wir buchen uns den nächsten Bus nach Hause – 40 Minuten Wartezeit, die wir auf einer Bank sitzend verbringen und nach dem hässlichsten Sommeroutfit unserer Mit-Touristen Ausschau halten. Irgendwie muss man sich ja die Zeit vertreiben…
Free Walking Tour Nr. 2
An unserem letzten Tag in Medellín haben wir noch mal volles Programm, naja, zumindest der Nachmittag ist verplant. Wir wollen nämlich nicht gehen ohne auch noch mal die Innenstadt gesehen zu haben, und da es hier immer noch Ecken gibt, die man als Tourist nicht alleine betreten sollte, wir aber nicht wissen wo diese Ecken sind, gibt’s noch ‘ne zweite Walking Tour in Medellín.
Um 14 Uhr treffen wir uns mit unserem Guide. Camilo ist in Medellín geboren und aufgewachsen. Eigentlich hat er irgendwas mit Bio-Medizintechnik studiert, aber als er nach dem Studium die dritte Absage von seinem Wunschunternehmen bekam, hatte er die Schnauze voll und ist erst mal Tour Guide geworden – sehr zum Leidwesen seiner Eltern, wie er sagt. Der erste Stopp sind ein paar Treppen vor irgendeinem Gebäude irgendwo in der Innenstadt. Hier setzten wir uns hin und es gibt eine kurze Vorstellungsrunde – Camilo hat sich wirklich alle unsere Namen gemerkt – und dann fängt er an zu erzählen. Um Medellín heute zu verstehen, muss man erst einmal die Geschichte der Stadt verstehen, sagt er, und beginnt Anfang des 19. Jahrhunderts, als Medellín gegründet wurde.
Eine bewegte Geschichte
Das Dorf Medellín liegt zwar hübsch im Tal, ist aber auch schwer zu erreichen, so ist es über Jahre von den Spaniern übersehen worden. Erst als Kaffee in Europa immer beliebter wurde, ist Medellín gewachsen. Kaffee kann man hier nämlich prima anbauen. Das ging auch alles super, bis ein bestimmtes weißes Pulver den Kaffee als Exportschlager abgelöst hat. Plötzlich wurde es hier ziemlich gefährlich. Die Geschichte mit den Kartellen ging soweit, dass die Stadt in den 70iger, 80igern und 90igern zu den gefährlichsten Städten der Welt gehörte und auch Kolumbien generell jetzt nicht zu den schönsten Urlaubsorten der Welt zählte.
In den 80igern, als die Hoffnung auf Besserung kurz vor dem Sterben war, wurde in Medellín die U-Bahn gebaut. Plötzlich konnten Menschen aus den ärmeren Vierteln in die Innenstadt fahren und hier eine Arbeit finden. Es ist vielleicht etwas schnulzig zu sagen, dass die U-Bahn die Hoffnung wieder zum Leben erweckt hat, aber laut Camilo war es genau so. Bis heute ist die Metro der ganze Stolz der Stadt. „Schaut sie euch nachher mal genauer an, wenn ihr nach Hause fahrt,“ sagt Camilo, „in der Stadt mag es noch so schmutzig sein, aber in der Bahn werdet ihr nicht mal einen Schnipsel auf dem Boden sehen. Die Menschen halten die Bahn in Ehren.“
In dieser Zeit, sagt Camilo, haben die Kolumbianer sich auch ihr selektives Gedächtnis zugelegt, dass sie wohl noch heute haben. Die schlechten Dinge können sie ganz schnell vergessen und sich die guten Dinge, sind sie auch noch so klein, immer wieder ins Gedächtnis rufen, wie zum Beispiel im Jahr 1990. Drei von vier Präsidentschaftskandidaten wurden ermordet. Erinnern tut sich kaum noch jemand daran. Im gleichen Jahr hat Kolumbien in der Fußballweltmeisterschaft 1:1 gegen Deutschland gespielt. Dieses Unentschieden wurde gefeiert als wären sie Weltmeister geworden. Auch heute noch können die Kolumbianer jede Minute dieses Spiels wiedergeben.
So sieht’s heute aus
Heute ist Medellín ziemlich sicher. Klar gibt es noch Ecken von wo man als Touri die Finger lassen sollte, aber wir können uns ohne Probleme ziemlich frei bewegen. Die Stadt hat außerdem erkannt, dass sie mit Bildung am meisten erreichen kann. So wurden, zum Beispiel, Anfang der 2000er endlich die Ruinen des Zentralmarktes abgerissen, der schon in den 60iger Jahren abgebrannt war und seitdem als Aufenthaltspunkt für zwielichtige Gestalten galt. Es wurde ein toller offener Platz angelegt und die alten Gebäude drum herum restauriert. Wo früher Drogenbosse ihre Hauptquartiere hatten sind jetzt das Bildungsministerium, Bibliotheken und Recherchezentren zu Hause.
Komplett vergessen, soll die jüngste Geschichte aber auch nicht werden. Dafür hat unter anderem auch der Künstler Botero gesorgt. Irgendwann in den 90igern wurde bei einem Konzert auf einem Platz auf dem auch Boteros Statuen standen, eine Bombe gezündet. Es gab etliche Tote und eine Skulptur Boteros ist durch den Druck und die Hitze geschmolzen. Der Bürgermeister wollte sie abreißen lassen. Botero war dagegen. Er hat der Stadt eine neue Skulptur versprochen, wenn die Alte als Mahnmal stehen bleibt.
Ich könnte noch ewig über Medellín schreiben, so begeistert waren wir von der Stadt, aber jetzt ist es genug. Fahrt lieber selber mal hin, es lohnt sich!
Unsere Unterkunft
3 Nächte im AirBnb für 32,60 €/Nacht